Von utopischen Träumen und grossen Visionen - Rückblick auf die Heim-EM

Die Europameisterschaft auf der Engelberger Aa war ein Erfolg. Doch wie kam es eigentlich dazu? Und was hat die DNA des Kanuclubs damit zu tun?

Bericht: Annalena Kuttenberger

Es ist Sonntag, der 7. Juli 2024, ungefähr zwei Uhr nachmittags. Das Wasser der Engelberger Aa rauscht wie eh und je durch das "Steigärtli" bei Dallenwil. Nur noch das knallrote NKB-Mobil am Ufer erinnert daran, dass hier bis vor kurzen Europas beste Nachwuchsathletinnen und -athleten um Medaillen gepaddelt sind. Zum ersten Mal seit einer Woche nehme ich mir einen kurzen Moment um innezuhalten und die Geschehnisse Revue passieren zu lassen. 

Wir haben es geschafft. Was vor knapp einem Jahr noch ein utopisch erscheinender Traum war, ist Realität geworden. Zum zweiten Mal in unserer Klubgeschichte haben wir einen Grossanlass auf der Engelberger Aa organisiert. 230 Athletinnen und Athleten aus ganz Europa sind zu uns gekommen, haben trainiert, gegessen, geschlafen, grosse Emotionen erlebt und Erfolge gefeiert, Niederlagen eingesteckt und neue Freundschaften geknüpft. Nun sind sie alle wieder weg, im Gepäck viele neue Erfahrungen und - hoffentlich - schöne Erinnerungen an ihre Zeit bei uns in Nidwalden. 

Um zu verstehen, warum ausgerechnet der Kanuclub Nidwalden im 25. Jahr seines Bestehens auf die Idee kommt, einen Nachwuchs-Grossanlass zu organisieren, muss man an den Anfang unserer Klubgeschichte gehen. Es war sein eigener Nachwuchs, der Heinz dazu bewegt hat, den Kanuclub Nidwalden 1999 zu gründen. Statt Reto und Silvan weiter nach Luzern ins Training zu fahren, hat er einen eigenen Verein auf die Beine gestellt. Von Anfang an war die Nachwuchsförderung die DNA des neuen Kanuclub Nidwalden. Ohne Clubhaus, mit uraltem Material, aber viel Enthusiasmus und Leidenschaft hat Heinz es geschafft, eine Trainingsgruppe zu formen, erste Erfolge an Wettkämpfen zu feiern und dem Samen für alles, was kanusportmässig in Nidwalden noch passieren sollte, zu pflanzen. 

Hier auf meinem Platz am Ufer der Engelberger Aa fällt mir ein, dass ich vor exakt 20 Jahren mein allererstes Abfahrtsrennen überhaupt gefahren bin. Auf der Engelberger Aa, ein Rennen organisiert vom Kanuclub Nidwalden mit - wie könnte es anders sein - OK-Chef Heinz Wyss. Dieses Rennen war für mich der Anfang meiner Karriere als Athletin in der Wildwasser-Abfahrt, aber wenn ich jetzt zurückschaue, war es auch der Anfang von vielen anderen, viel grösseren Dingen. 

Wir springen ins Jahr 2009. Der Kanuclub Nidwalden ist jetzt 10 Jahre alt und durfte vor Kurzem die ersten internationalen Erfolge mit seinen Athletinnen und Athleten feiern. Es gibt mehrere geführte Trainings pro Woche, die beiden Container im Strandbad platzen aus allen Nähten und eine grosse Gruppe vielversprechender Talente bereitet sich auf die Heim-Weltmeisterschaft vor (looking at you 92er).Genau, eine Heim-Weltmeisterschaft für Juniorinnen und Junioren.
Organisiert vom Kanuclub Nidwalden und mit Wettkampfleiter Heinz Wyss findet im Juli 2009 die Junioren-Weltmeisterschaft auf der Engelberger Aa statt. Fast alle Klubmitglieder waren damals irgendwie im Einsatz. Im OK, als Trägerinnen und Träger der Nationenschilder, als Helferinnen und Helfer. Noch heute ist das Grossereignis vielen Nidwaldnerinnen und Nidwaldnern in bester Erinnerung geblieben. 

Als einfache Helferin habe ich 2009 nur einen winzigen Teil der Arbeit gesehen, die in so einem Anlass steckt. Geprägt haben mich aber das riesige Engagement aller Klubmitglieder im OK und im Staff, die tollen Emotionen beim Gewinn der ersten Einzelmedaille durch Athleten des Kanuclub Nidwalden (Bronze im Klassik durch den C2 Jan Gertsch/Daniel Mathis) und die einmalige Kulisse in Buochs und an der Engelberger Aa. Wieder war ein Samen gepflanzt. 

Es ist Sommer 2022. Die Athletinnen und Athleten des Kanuclub Nidwalden haben zusammen mit dem Schweizer Nationalteam einen neuen Medaillenrekord an der Junior:innen- und U23-Europameisterschaft in Banja Luka, Bosnien, aufgestellt (hier nachzulesen: Edelmetall das es chlöpft und tätscht! (kcnw.ch)). Am Rande der Feierlichkeiten sprechen Heinz und ich zum ersten Mal darüber, dass es an der Zeit wäre. An der Zeit für einen neuen Grossanlass auf der Engelberger Aa. Als Geschenk an unsere erfolgreichen Athletinnen und Athleten und zur Feier des 25-Jahr-Jubliäums des Kanuclub Nidwalden. Denn es ist immer noch so, die Nachwuchsförderung ist in der DNA des Kanuclub Nidwalden fest verankert. 

Nach diesem ersten Gespräch geht es plötzlich schnell. Wir bewerben uns beim Europäischen Kanuverband um die Austragung der Junior:innen- und U23-Europameisterschaft 2024. Stellen ein OK zusammen. Treffen uns zur ersten Sitzung. Verteilen Ressorts und Aufgaben. Arbeiten uns durch riesige Pendenzenberge. Versuchen, an jedes noch so kleine Detail zu denken und alle Eventualitäten vorauszusehen. Suchen nach Helferinnen und Helfern. Stossen auf unglaublich viel Unterstützung, Hilfsbereitschaft und Motivation im Kanuclub und im ganzen Kanton Nidwalden. 

Und dann ist es soweit. Am 2. Juli 2024 wird die Heim-Europameisterschaft in Dallenwil feierlich eröffnet. Nicht einmal strömender Regen kann uns davon abhalten, dieses Ereignis zu feiern. Es folgen vier sehr herausfordernde und trotzdem unglaublich schöne Wettkampftage. Über 300 Athletinnen und Athleten, Betreuerinnen, und Betreuer und unzählige Fans entschädigen uns mit ihrer Begeisterung für die grosse Arbeit im Vorfeld. Als am 6. Juli zum Abschluss noch die Schweizer Nationalhymne für den Europameistertitel im U23 Sprint Team mit Luis, Cornel und Aaron ertönt, bleibt kaum ein Auge trocken. Es ist vollbracht. Ein zweiter Grossanlass auf der Engelberger Aa konnte erfolgreich durchgeführt werden. Wahrscheinlich dauert es noch ein bisschen bis wir wirklich verstehen, was diese Woche passiert ist. 

Jetzt weiss ich, wie es sich anfühlt, so einen Wettkampf mit zu organisieren. Es ist anstrengend und bereichernd gleichzeitig. Schwierige Momente und wunderschöne Emotionen wechseln sich ab. Man schläft wenig und arbeitet viel. Versucht überall gleichzeitig zu sein und es allen Recht zu machen. Bekommt Unterstützung, da wo man es gar nicht erwartet hätte und wird von Unvorhergesehenem überrascht. Zweifelt ab und zu und lernt unglaublich viel. 

Danke Florina, Thomas, Gianni, Angel und Peter, dass ihr mit Heinz und mir an die Vision einer Heim-Europameisterschaft geglaubt habt. Danke an alle Helferinnen und Helfer von nah und fern, dass ihr diesen Anlass ermöglicht habt. Danke an alle grossen und kleinen Fans, die an die Engelberger Aa gekommen sind. Danke an die Sponsoren, die uns so grosszügig unterstützt haben. Danke an die Athletinnen und Athleten des Schweizer Nationalteams für die tollen Erfolge und grossen Emotionen. Danke Heinz, dass du vor so 25 Jahren den Kanuclub gegründet und den ersten Samen gepflanzt hast. 

Danke, Kanuclub Nidwalden. 

Es ist Zeit, von meinem Platz am Ufer der Engelberger Aa aufzustehen. Noch warten die letzten Aufräumarbeiten auf mich. Und schlafen sollte ich auch mal wieder. Nur noch ein letzter Gedanke geht mir durch den Kopf: Vor 20 Jahren konnte ich nicht ahnen, was ein Start an einem Abfahrtsrennen alles auslösen kann. Jetzt weiss ich es und bin dankbar, dass ich all diese Möglichkeiten bekommen habe. Und wer weiss, vielleicht konnten wir auch wieder einen Samen einpflanzen für die nächste Generation von Nidwaldner Paddlerinnen und Paddlern mit grossen Visionen.

Annalena 

Geniesst die wunderschönen Impressionen von der EM -LINK